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1955: Gerd Zelck - AStA-Vertreter


Gerd Zelck - Als Studentenvertreter bei der 50-Jahr-Feier

Dipl.-Ing. Gerd Zelck, ehemaliger Studierendenvertreter, erinnert sich an das 50-jährige Jubiläum der Ingenieurschule:

"Ich begann mein Maschinenbau-Studium im Wintersemester 1954/55 mit 22 Jahren. Zu Beginn meines zweiten Studiensemesters konnte der damalige Vertreter des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) sein Studium nicht mehr fortsetzen und ich wurde durch Akklamation zum 1. Vorsitzenden - mehr bestimmt - als gewählt. Ich blieb es durchgehend für die Dauer von drei Studiensemestern. Danach fühlte ich mich ausgepowert, setzte ein Semester aus und arbeitete als Konstrukteur bei einer Hamburger Apparatebaufirma. Im Sommersemester 1957 setzte ich das Studium fort und machte im Januar 1958 mein Examen.

Ich weiß nicht wie es heute abläuft, aber damals war es schwierig für die Aufgabe des Studierendenvertreters überhaupt einen Kommilitonen zu finden, geschweige denn, dass sich gleich mehrere Bewerber einfanden und eine richtige Wahl abgehalten werden konnte. Der wirtschaftliche Druck, auf dem kürzesten Wege sein Studium durchzuziehen - der Begriff Bafög war noch völlig unbekannt - war groß. Viele Studenten mussten sich ihren Unterhalt selbst verdienen und es gab auch noch eine Reihe älterer Studenten, die Kriegsteilnehmer waren und erst spät aus der Gefangenschaft kamen. Außerdem war der AStA damals völlig unpolitisch. Wir als Vertreter der Studentenschaft sahen unsere Aufgabe ausschließlich darin, unseren Kommilitonen (uns eingeschlossen) die Studienzeit soweit wie möglich zu erleichtern und alle Möglichkeiten der Unterstützung auszuschöpfen.

Das von den Kommilitonen am meisten frequentierte Referat war das für die Vermittlung von Nebenarbeiten. Wir hatten hierzu die ausdrückliche Genehmigung des Arbeitsamtes, die wir allerdings erst nach zähen Verhandlungen mit dem zuständigen Behördenleiter bekamen. Wir mussten eine genaue Liste über die Vermittlungen führen und daher weiß ich noch, dass wir während eines Semesters etwa 640 Nebenarbeiten vermittelt hatten. Nicht selten wurde bei einem Anruf von Firmen vorher nachgefragt, ob dort auch der AStA der Ingenieurschule sei, denn man suche eine Hilfskraft, die einen Schraubenzieher von einem Hammer unterscheiden könne.

1955, zur Mitte meiner dreisemestrigen Tätigkeit als AStA-Vorsitzender fanden die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Ingenieurschule statt. Der AStA waren in die Organisation der Feierlichkeiten weitgehend mit eingeschaltet, wobei alle Absprachen mit dem Festkomitee und Direktor Dr. Krone mehr oder weniger mündlich und geradezu kollegial besprochen wurden.

Der Abend des ersten Festtages endete mit einem großen Fackelzug mit 800 Studierenden, ausgehend vom Rathausmarkt und aufgeteilt in zwei Gruppen, vor dem Gebäude der Ingenieurschule. Im ersten Stock links vom Haupteingang stand das Direktorium an den geöffneten Fenstern und nahm, mit den 800 Fackelträgern im Hintergrund, unsere Huldigung - es war alles ehrlich gemeint - entgegen. Höhepunkte am zweiten Tag waren ein Festakt in der Musikhalle, zu dem auch eine Ansprache des Studierendenvertreters gehörte, und dann als Abschluss der große Festball in der Elbschlossbrauerei.

In einigen Punkten war der Studiumsbetrieb wahrscheinlich anders als heute: Die Vorlesungen waren mehr wie Schulunterricht aufgezogen, was ein sehr effizientes Lernen ergab. Wir durften den Dozenten unterbrechen und Zwischenfragen stellen, auf die immer eingegangen wurde. Bei dieser Art von Vorlesung, die hauptsächlich an der Tafel stattfand und vom Vortragenden somit auch Fähigkeiten zum Freihandzeichnen abforderte, waren Didaktik und pädagogisches Geschick besonders wichtig.

Als ich 1958 mein Studium beendete, hatten von sechs Maschinenbauingenieuren fünf einen Fachschulabschluss und einer kam von der Hochschule und nur dieser durfte sich damals Dipl. Ing. nennen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Ausbildungswegen war durchaus auch erkennbar und eine hierarchische Unterscheidung wurde von uns Fachschulingenieuren akzeptiert. Unsere Berufschancen waren damals ausgesprochen gut. Auf jeden Absolventen kamen vier offene Stellen und es herrschte allgemein eine Aufbruchstimmung. Auch als Fachschulingenieure kamen wir an jede Arbeit und Aufgabe ran, wenn wir sie denn anstrebten. Ich zum Beispiel wählte den Weg in die Entwicklung und arbeitete in den Branchen Motorenbau, Luftfahrt und Raumfahrt und für 1 1/2 Jahre auch mal bei Prof. Walter an der Universität Kiel und entwarf unter ihm ein U-Boot. Ein Kommilitone ging zu BBC und wurde Programmleiter für die Errichtung von Großkraftwerken, die diese Firma in alle Länder der Welt lieferte. Ein Anderer machte ähnliches bei Siemens-KWU und errichtete Kernkraftwerke. Drei Kommilitonen gingen nach Kanada und in die USA zu Boeing und waren dort erfolgreich. Jeder meiner Kommilitonen machte seinen Weg als Ingenieur und trug mit zu dem Wirtschaftswunder bei, von dem wir heute noch leben.

Zum Abschluss meines kurzen Rückblicks möchte ich als Grußwort an die junge Ingenieursgeneration zusammenfassen: Betrachten Sie Ihre Berufsausübung nicht nur als Jobtätigkeit. Es steckt viel mehr darin, denn Sie beeinflussen die Gesellschaft unmittelbar. Was wir früher schlecht gemacht haben, machen Sie besser, aber - erkennen Sie bitte auch und übernehmen es, was einmal gut war und heute vom Zeitgeist überdeckt wird."