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1962: Eric Meyer - AStA-Ausländerbetreuung


Eric Meyer - Im Referat für Ausländerbetreuung

Eric Meyer, in der 60er Jahren im Referat für Ausländerbetreuung, erinnert sich an seine Studienzeit:

"Als ich im Jahre 1962 mit dem Studium des Maschinenbaus am Berliner Tor begann, interessierte mich die weite Welt fast mehr als Maschinenelemente, Turbinen, Statik oder Hebekräne. So besserte ich mein rostiges Schulenglisch auf, lernte Französisch, mit dem Ziel einmal eine international tätig zu sein. Schon im zweiten Semester trat ich dem AStA bei und übernahm das Referat für Ausländerbetreuung. In den 60er Jahren studierten an den vier Hamburger ingenieurwissenschaftlich orientierten Schulen - Ingenieurschule, Ingenieurschule für Bauwesen, Tabak Technikum Hamburg und Wagenbauschule - mehr als 100 internationale Studenten, hauptsächlich aus Asien und Afrika, aber auch aus Südamerika und einigen europäischen Ländern. Da über 80 Prozent der ausländischen Studenten an der Ingenieurschule eingeschrieben waren, fiel die Betreuung der Gäste aus Übersee an das Referat für Ausländerbetreuung der Ingenieurschule; also an mich.

Die Aufgabe des Referats war, den Studenten aus aller Welt das Leben und Studium in Hamburg zu erleichtern und ihnen, wenn nötig, hilfreich unter die Arme zu greifen. Die Kommilitonen aus Übersee brauchten Hilfe bei der Wohnungssuche, der Vermittlung von Arbeitsstellen, den Vorlesungen und dem Einleben in unsere Gesellschaft. In diesem Sinne organisierte der AStA monatliche Zusammenkünfte wie Theaterbesuche, gemeinsame Essen, Museumstouren oder Stadtbesichtigungen. Zum Jahresprogramm gehörte auch eine Helgolandfahrt, an der der Grossteil der Studenten mit Begeisterung teilnahmen.

Studenten der Ingenieurschule
vor der Symphonie in Berlin
(Erik Meyer:
Dritter von links, erste Reihe)

Der Höhepunkt des Jahres war die Bonn- und Berlinreise. Die Teilung Deutschlands war das große Thema überhaupt. Das gesamte Programm umfasste meist sieben Tage, drei Reisetage und jeweils zweieinhalb Tage in Bonn und Berlin. Der Besuch in Bonn ging ins Bundeshaus. Dort wurden Vorträge von Bundespolitikern über die politische Lage in Europa und Deutschland gehalten. Ähnliche Vorträge für die spezielle Lage Berlins wurden in Berlin gegeben. Stadttouren in Ost und West sollten den ausländischen Besuchern den Unterschied zwischen DDR und BRD vor Augen zu führen. Erstaunlich war dabei die Offenheit und Unbekümmertheit der ausländischen Gäste. Zur Einfahrt in die DDR mussten endlose Listen aufgestellt werden, die neben der deutschen Adresse auch die Heimatadresse der Besucher, das Modell der Kamera, den Betrag an Geld und die persönlichen Gegenstände genau aufgeführten. Stelle sich heraus, dass die Listen nicht übereinstimmten, begann die Ausfragung durch die VOPOS und die Belehrung über die Vorteile des Sozialismus. Viele der Kommilitonen konnten es sich nicht verbeißen, einen kleinen Kommentar oder Witz im Beisein der VOPOS zu reißen. Spaß aber verstanden diese ernsten Vertreter des Sozialismus allerdings nicht und als "Belohnung" wurde der Bus dann für zwei Stunden in der unerträglichen Julihitze geparkt. Das Aussteigen war verboten und die Türen mussten verschlossen bleiben. Diese kleinen Episoden führte den Gästen besser als jede politische Diskussion vor Augen, wie der Unterschied der Systeme DDR und BRD gestrickt sei.

Meine fast dreijährige Tätigkeit im AStA hat am Ende wohl mehr zu meiner Karriere beigetragen als das Maschinenbaustudium selbst. Ich hatte gute Verbindungen zum Deutschen Akademischen Austauschdienst in Bonn und wurde am Ende des Studiums für einen einjährigen Studienaufenthalt in Indien ausgewählt. Dadurch wurde mein Interesse an der Welt verstärkt. Ich verbrachte weitere Jahre in Frankreich, der Schweiz, Kanada, Brasilien, China und den USA. Zur Abrundung meines internationalen Lebenslaufes, habe ich dann ein Master of Business Administration erworben und Spanisch und Portugiesisch gelernt. Seit über 15 Jahren bin ich nun als Vice President bei einer großen globalen Firma in den USA in der internationalen Geschäftsentwicklung tätig. All dies begann so harmlos mit meiner Tätigkeit im AStA der Ingenieurschule in den 60er Jahren."