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Eine ganz besondere Karriere Georg von Tiesenhausen (Jahrgang 1914) gehörte zu den Studenten, die während ihres Studiums zur Wehrmacht einberufen und an die Ostfront geschickt wurden. Doch er hatte Glück im Unglück. Weil Ingenieure gebraucht wurden, durfte er sein Studium fortsetzen. “Wir standen 40 km westlich von Moskau”, schrieb er, “und innerhalb von drei Tagen war ich plötzlich wieder Student in Hamburg. Wir studierten äußerst intensiv, und ich hatte sehr gute Zensuren, alles andere hätte mich sofort wieder zurück an die Ostfront gebracht.” So gehörte er im Jahre 1943 zu den letzten Absolventen der Ingenieurschule Hamburg vor dem Ende des Krieges. Als Angehöriger der Wehrmacht wurde er unmittelbar nach dem Examen in das Raketen-Entwicklungszentrum Peenemünde abkommandiert. Die Arbeit des jungen Ingenieurs dort endete nach zwei Jahren in der Kriegsgefangenschaft, aus der er allerdings sehr bald entlassen wurde. Er schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten als Lastwagenfahrer,
Automechaniker, Pass-Fotograf und Büroangestellter durch und hatte schließlich wieder Glück. Der Job als “persönlicher Taxifahrer für eine reiche alte Dame, die eine Fabrik in Uetersen besaß” führte schließlich
im Jahre 1949 zu seiner Anstellung als Ingenieur in der Firma Hatlapa, wo er Schiffswinden konstruierte (die Firma Hatlapa ist noch heute einer der bedeutendsten Anbieter von Decksmaschinen und als Förderer des Freundeskreises Maschinenbau und Produktion der Ingenieurausbildung in Hamburg eng verbunden).
Saturn V und die “Beugelbuddel” 1953 folgte Georg von Tiesenhausen einem Ruf nach Huntsville (Alabama, USA) in die Raketen-Entwicklungsabteilung unter Leitung von Dr. Wernher von Braun, aus der 1960 die NASA hervorging.
Von Anfang an war er bei der Entwicklung des Weltraumprogramms für besonders wichtige Komponenten, insbesondere die Startmechanismen, zuständig. “Der Haltemechanismus für die
Mondrakete Saturn V”, schreibt von Tiesenhausen, “musste diese gegen den vollen Schub für 3 Sekunden festhalten und dann innerhalb einer 1/10 Sekunde freigeben. Ich konstruierte ihn nach
dem Prinzip des alten deutschen Bierflaschenverschlusses. Es war mein erstes amerikanisches Patent.”
Schon im Jahre 1963 stellte Georg von Tiesenhausen - er war zuständig für “Mobility Systems on the Lunar Surface” - den ersten kompletten Entwurf des Lunar Rover vor. “Besonders stolz bin ich”, schreibt der ’Vater des Mondautos’ rückblickend, “dass eigentlich alle Komponenten, die ich bereits in meinem ersten Entwurf vorgesehen hatte, auch in das endgültige Produkt übernommen wurden.” Die Apollo-Mission 15 im Juli 1971 war die erste Mondlandung, bei der die Astronauten das ‘Mondauto’ zur Verfügung hatten. Über acht Jahre war Georg von Tiesenhausen im Apollo-Projekt. “Wir mussten ein völlig neues Management-Konzept entwickeln”, schreibt er über diese Zeit, “über eine Million Maschinenteile
mussten zusammenpassen und funktionieren. Nichts, was wir entwickelten, hatte Vorgänger, Erfindungen wurden am laufenden Band gemacht.”
Meiner Ausbildung verdanke ich fast alles 33 Jahre arbeitete Georg von Tiesenhausen für die NASA, dokumentierte seine Arbeiten in 278
technischen Berichten, erhielt 6 US-Patente und zahlreiche Auszeichnungen. Als er 1986 in den Ruhestand ging, überschrieb die Zeitschrift “Space World” ein vierseitiges Interview mit ihm mit dem Titel: “Last of the Rocket Team”. Dass sich darin schon in der Einleitung ein Hinweis auf sein Ingenieurstudium in Hamburg findet, ist kein Zufall. Immer wieder verweist er auf sein Studium: “Unsere Dozenten waren hervorragend, die
Ausbildung sehr gründlich. Meine Stärken waren Konstruktion, Statik, Dynamik und Thermodynamik. Meine damaligen Dozenten halte ich in hohen Ehren, da ich ihnen fast alles verdanke, was ich zu tun in der Lage war.”
Dozent an der US Advanced Space Academy Es ist für Georg von Tiesenhausen deshalb selbstverständlich, dass er seine Kenntnisse und umfangreichen Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen weitergibt. Seit 1986 bis heute ist er als Dozent an der US Advanced Space Academy tätig. Ingenieur aus Leidenschaft, ist sicher eine treffende Charakterisierung für diesen außergewöhnlichen Menschen, vielleicht sagt aber eine Bemerkung seiner Frau, mit der er seit über 60 Jahren verheiratet ist, noch mehr: “Georg, Du hast in Deinem Leben niemals richtig gearbeitet. Du hast viel Spaß gehabt. Eigentlich hast Du immer nur gespielt.”
... und immer noch gefragt und beliebt Anlässlich der feierlichen Verabschiedung der Absolventen des Jahrgangs 2006 der Capitol High School in Tuscaloosa war Georg von Tiesenhausen gebeten worden, die Festansprache zu halten. Er kam dieser Bitte gern nach, obwohl die Veranstaltung genau auf seinen 92. (!!) Geburtstag fiel. Man überraschte ihn mit einer wunderschönen Torte, auf der deutlich dargestellt war, welche seiner Ingenieurleistungen sicher eine der spektakulärsten war.
Aber es ist wohl besonders erstaunlich, dass Georg von Tiesenhausen auch mit 92 Jahren immer noch regelmäßigen Verpflichtungen in der Space Academy nachgeht. “Meine Klassen wechseln jede Woche, und sie kommen aus vielen Ländern. Das macht die Sache interessant. Anbei ein Bild von meiner Klasse aus Taiwan”, schrieb er in einer E-Mail, an der das nebenstehend zu sehende Bild hing.
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